Hallo - ich heisse Asio otus. Das ist mein wissenschaftlicher Name, der frei übersetzt "Die Eule mit den Ohren" heisst. Aber das ist nicht ganz richtig, denn meine aufrichtbaren "Ohren" sind gar keine Ohren zum Hören.
Titelbild: Sieht aus wie Ohren, aber es sind nur Federn. (Foto: Andi Meier)
Das ist auch der Grund, dass mich viele Menschen noch nie gesehen haben, obwohl ich mit meinen Artgenossen fast überall in unserem Land zu entdecken wäre. Speziell wohl fühlen wir uns im Mittelland, im Jura und in den Voralpen bis in Höhen gegen 1500 m. Aber nicht nur in der Schweiz sind wir zu Hause; die Regionen in denen meine Verwandten leben, erstrecken sich von Europa, wo wir zu den häufigsten Eulen gehören, bis ins ferne China. Und sogar in Nordwestafrika und in Nordamerika sind wir daheim.
Das ist nicht ganz abwegig, weil wir beide ein braun-schwarz geflecktes Gefieder mit markanten Ohrbüscheln tragen und unsere Augen orange sind. Aber ich bin nur halb so gross wie ein Uhu, und auch mein brauner Gesichtsschleier unterscheidet sich wegen der feinen schwarzweissen Einfassung und seiner kreisrunden Form stark vom deutlich breit-ovalen, grauen Uhu-Schleier.
Hingegen haben wir beide, wie alle Eulen, vierzehn Halswirbel, die es uns ermöglichen, unseren Kopf um bis zu 270 Grad zu drehen. Ohne unseren Körper umwenden zu müssen, können wir sogar feststellen, was hinter unserem Rücken passiert. Unglaublich, nicht wahr?
Der Schleier oder Gesichtsschleier ist eine kranzförmige Einfassung aus steifen Federn, die das Gesicht von uns Eulen ziert. Er kontrastiert mit der übrigen Gefiederfärbung und verleiht uns so unser unverwechselbares, arttypisches Aussehen. Hauptsächlich dient er aber der Lenkung und Verstärkung von Schallwellen in Richtung unserer hochspezialisierten Ohren und ermöglicht uns damit kleinste Geräusche auch auf grössere Distanz zielsicher wahrzunehmen – ein entscheidender Vorteil, wenn wir in der Dunkelheit auf der Jagd sind. Auch Weihen, andere elegante Greifvögel, tragen einen Gesichtsschleier, der ihnen ebenfalls eine bessere Beutewahrnehmung ermöglicht.
Ich bevorzuge halboffene Landschaften mit fliessenden Übergängen zwischen Wald und Kulturland zu denen auch Magerwiesen, Hecken und Obstbaumbestände gehören. In Wäldern hingegen behagt es mir nur, wenn sie durch genügend grosse Freiflächen unterbrochen sind, in denen ich jagen kann. Wie man sieht, bin ich also keine typische Wald-Eule, auch wenn mein Name dies andeutet. Besonders gut gefällt es mir übrigens im Leimental, wo ich noch ideale Lebensräume finde.
Ich jage gerne im langsamen, schaukelnden Pirschflug, seltener auch aus einem Ansitz. Habe ich ein Beutetier ausgemacht, versuche ich es aus flachem, lautlosem Gleitflug aber nie aus einem Sturzflug zu ergreifen. Wie bei meinen sieben anderen Eulen-Verwandten, die in unserem Land wohnen, bin ich mit samtweichen Federn mit einer feinen Zähnelung ausgerüstet, was meinen Flug fast unhörbar macht und mir dadurch erlaubt, meine Beute zu überraschen. Das sind zum grossen Teil Feld- und Wühlmäuse, viel seltener auch Waldmäuse. Die übrigen Beutetiere und Kleinvögel machen weniger als 5% meines Speiseplans aus. Mein Appetit ist gross; und so bringe ich es pro Jahr auf gut 1000 erbeutete Mäuse – Nahrung für meine Jungen nicht eingerechnet.
In mäusereichen Jahren brüten wir früh, sodass die Ablage von bis zu 8 Eiern bereits im Februar erfolgen kann. In weniger ergiebigen Jahren beginnt die Eiablage hingegen erst im März und umfasst dann meist nur 3-5 Eier. Nach einer Brutzeit von 4-5 Wochen schlüpfen die Küken. In den ersten Tagen werden sie von den Weibchen zum Schutz vor Kälte und Nässe gehudert, das heisst unter das Gefieder genommen. Schon nach 2-3 Wochen verlassen die Jungen das Nest, obwohl sie noch nicht fliegen können, und verstecken sich in Nestnähe im Gezweig; sie werden deshalb Ästlinge genannt.
Dort füttern wir Elterntiere sie noch längere Zeit, weil die Kleinen erst ab der 10. Lebenswoche selber jagen können. Sie wirken, wie im Bild rechts, in ihren flauschigen Jugendkleidern mit dunklem Schleier und orange-roten Augen äusserst niedlich.
Naturnahe Landschaftselemente wie Hecken, Feldgehölze oder alte Obstbaumbestände sind leider in den letzten Jahren in der Schweiz immer seltener geworden. Dort hatten wir aber unsere Verstecke und Nistplätze, die uns nun zunehmend zu fehlen beginnen. Und da es in der intensiv genutzten Landwirtschaft viel schwieriger ist, genügend Beutetiere zu fangen, fühlen wir uns je länger je mehr in die Enge getrieben. Wir sind zwar noch nicht bedroht, aber eine Lebensraumaufwertung zum Beispiel mit Buntbrachen, Extensivwiesen oder ökologischen Ausgleichsflächen würde sich auf unsere Nahrungsgrundlage und damit auf unsere Bestandeszahlen positiv auswirken.
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Möchtest du diesen Bericht ausdrucken? Du findest den Bericht über die Waldohreule hier zum Download.
Name deutsch: Waldohreule
Name wissenschaftlich: Asio otus (Linnaeus, 1758)
Körpergrösse: 35-37 cm
Flügelspannweite: 90-100 cm
Gewicht: 250-370 g (Weibchen), 230-280 g (Männchen)
Jahresbruten: 1, ausnahmsweise 2
Gelegegrösse: 3-5 Eier, in mäusereichen Jahren bis zu 8 Eier
Brutdauer: 27-28 Tage/Ei (das Weibchen brütet und wird vom Männchen versorgt)
Nestlingszeit: 2-3 Wochen (betreut durch das Weibchen; Nahrungsbeschaffung für die ganze Familie durch das Männchen)
Weitere Entwicklung: voll flugfähig ab 5 Wochen, selbständig nach etwa 2 Monaten
Bestand in der Schweiz: 2'500-3'000 Brutpaare (seit den 70er-Jahren rückläufiger Trend)
Bestand in Europa: 0.4-0.8 Millionen Brutpaare
Text: Peter Jascur*
*Peter Jascur ist der Kopf hinter den "Ornithologischen Steckbriefen".
Dieses ausführliche und doch handliche Taschenlexikon stellt die 234 häufigsten in der Schweiz beobachtbaren Vogelarten vor. In 2-seitigen Portraits vermittelt es eine Fülle von Informationen zu Bestimmungsmerkmalen, Verbreitung, Bestand, Zugstrategie, Gefährdung, Nahrung, Stimme, Verhalten und Fortpflanzung jeder beschriebenen Art.
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